Tauchbasis am Kreidesee in Hemmoor.
Es ist Samstag, der zweite Tag von unserem Tauchwochenende hier. Während ich am Einstieg drei an meinem widerspenstigen Neoprenanzug zerre und mich auf meinen Tauchgang vorbereite, fängt es an zu nieseln. “Macht nichts”, denke ich, “der ist eh noch nass”. Es ist schon mein dritter Tauchgang heute, aber dieser ist besonders. Denn wenn ich diesen Tauchgang meistere, dann habe ich meine Ausbildung abgeschlossen und bin offiziell DTSA*-Taucher. Aber um dieses Ziel zu erreichen, muss ich erstmal ins Wasser und dann auf nicht weniger, als 30 Meter in die Tiefe.
Mit einem großen Schritt springe ich, wie vorher geübt, ins Wasser. Dort warten schon Ollo und Bert. Die beiden begleiten mich: Ollo, als Tauchlehrer und Bert, als erfahrener Taucher, der gerade sein DTSA**-Abzeichen macht. Dafür soll er einen unerfahrenen Taucher wie mich unter Wasser anleiten und am Ende des Tauchgangs noch eine Taucherboje setzen. Noch kurz checken, ob die Maske auch richtig sitzt, dann tauchen wir ab.
Deutschlands tiefster Briefkasten
Ich sinke einige Meter in die Tiefe. Links von mir ist Bert, rechts Ollo. Als mein Tauchcomputer um die fünf Meter anzeigt, stoppen wir. Bert gibt das Zeichen, vom Back-Up auf den Haupt-Atemregler zu wechseln. Er fängt an, dann bin ich an der Reihe und dann Ollo. Alles klappt ohne Probleme. Ich gebe das Okay-Zeichen und dann geht es weiter in die Tiefe. Ab zehn Metern spüre ich im Gesicht, wie es kälter wird. Es ist ruhig unter Wasser. Alles, was ich gerade höre, ist das Rauschen meines Atemreglers und die aufsteigenden Luftblasen. Als ich links zu Bert schaue, zeigt er in eine Richtung. Ich verstehe und folge ihm. Es dauert nicht lange, dann sehe ich eine Art Brücke, auf der ein blauer LKW mit eingeschlagenen Scheiben steht. Rechts von ihm, neben einem Fahrrad, das am Brückengeländer lehnt, befindet sich unser erstes Ziel: Deutschlands tiefster Briefkasten. Er liegt genau 19 Meter unter der Wasseroberfläche und wird tatsächlich richtig genutzt. Taucher und Menschen mit genug Atemvolumen können hier wasserfeste Briefkarten einwerfen. Der Briefkasten wird regelmäßig geleert und die Karten dann auf “normalem” Postweg über Wasser weiter verschickt. Auch ich habe drei Karten, die ich in den gelben Kasten werfe.
Durch den Trichter in die Tiefe
Danach geht es weiter zu unserem zweiten Ziel. Denn noch habe ich die letzte Aufgabe meiner Ausbildung nicht erfüllt. Ich muss einen “Tauchgang unter erschwerten Bedingungen” machen und obwohl 20 Meter für mich schon echt tief sind, wollen wir jetzt noch tiefer tauchen. Dafür geht es zurück zur Brücke, vorbei an dem LKW und dann kommt vor mir ein großer Betontrichter zum Vorschein, der unter Tauchern berühmt berüchtigte Rüttler. Er ist wie vieles hier unter Wasser ein Relikt aus der Zeit, als der See noch kein See, sondern ein Tagebau war, in dem von 1862 bis 1976 Kreide abgebaut wurde.
Bert schaut mich an, zeigt nach unten und wartet auf meine Reaktion. Das haben wir vor dem Tauchgang so abgemacht. Ich soll nämlich nur dann durch den Rüttler tauchen, wenn ich mir das auch wirklich zutraue. Denn einmal im Rüttler drin, ist es schwierig, wieder aufzutauchen. Ich muss nicht lange überlegen und gebe das Zeichen: Ich will da runter! Also tauchen wir über den Trichter und lassen uns dann langsam in die Tiefe fallen. Meter für Meter. Sobald ich unten angekommen bin spüre ich wie sich die Kälte von meinem Gesicht auch auf meine Hände und Füße ausbreitet. Ich schaue auf mein rechtes Handgelenk. Mein Tauchcomputer zeigt 30,1 Meter an. Sofort gebe ich Bert und Ollo das Zeichen, dass mir kalt ist und wir beginnen langsam unseren Aufstieg.
Endloser Aufstieg
Für meinen Geschmack zu langsam, aber natürlich ist das genau richtig so, da bei einem zu schnellen Aufstieg Tauchunfälle passieren können. Trotzdem jetzt gerade hätte ich nichts dagegen, wenn wir schon an der Wasseroberfläche wären. Die Kälte klettert immer weiter an meinem Nassanzug hoch. Langsam wird es unangenehm. Erst als wir wieder auf 10 Metern Tiefe aufgestiegen sind, wird es besser. Hier bleiben wir noch kurz. Schließlich muss Bert noch die Taucherboje setzen. Es dauert ein bisschen, dann schwebt die Boje und wir folgen ihr an die Wasseroberfläche. Oben angekommen muss ich grinsen, hab ich es wirklich geschafft?
Auf dem Parkplatz beim Ausziehen des Jackets kommt Marius zu mir und reicht mir die Hand. “Glückwunsch”, sagt er. “Dann hab ich es wirklich geschafft?”, frage ich mich. Ollo bestätigt und freue mich, dass ich meine DTSA*-Ausbildung nach einem Jahr endlich abgeschlossen habe.
Was nach dem Tauchgang bleibt? Auf jeden Fall Freude über mein Tauchabzeichen und die Erkenntnis, dass mein nächstes Abzeichen wahrscheinlich eines für einen (wärmeren) Trockentauchanzug sein wird.
Fotos: Heiner Düsterhaus + André Strobel