Herbst 2019
Den einen schönsten Tauchgang zu definieren, aus verschiedenen, großartigen Tauchgängen, die man bereits gemacht hat, ist ein schwieriges Unterfangen. Deshalb möchte ich hier stattdessen über den Tauchgang schreiben, der mich bislang wohl am meisten beeindruckt hat.
Wir schreiben das Jahr 2019 und befinden uns auf einer Tauchsafari im nördlichen Roten Meer. Nach einigen sehr interessanten und erlebnisreichen Tauchtagen soll nun ein ganz besonders Ziel angesteuert werden. Es geht zur Westseite des südlichen Sinai zu der Riff Ansammlung Sha´ab Ali, genauer gesagt zur SS Thistlegorm.
Ich hatte schon so einiges von diesem britischen Frachtschiff gehört, welches im zweiten Weltkrieg die britischen Truppen mit Nachschub versorgen sollte und im Oktober 1941 von einem deutschen Bomber versenkt wurde. Dennoch ahnte ich wohl nur grob, welches Abenteuer mich erwarten würde.
Nach einem kurzen Briefing durch den Dive Guide sollte es losgehen. Also schnell in den Tauchanzug gesprungen, die Ausrüstung angelegt, den Buddy Check durchgeführt und schon ging es in recht strömigem Wasser hinunter zum Wrack. Schon von weitem sah ich die Konturen dieses riesigen Stahlkolosses immer deutlicher werden. „Wie groß so ein Wrack wirklich ist und welche unheimliche Stimmung rund um das Schiff herrscht, realisiert man erst, wenn man es vor sich sieht“ dachte ich bei mir.
Neben den groben Konturen des Wracks fielen zunehmend das Ausmaß der Zerstörung sowie die vielen Gegenstände rund um das Schiff ins Auge. Verstreute Munitionskisten, Geschosse, Fahrzeugteile, Schrottteile und nicht zuordenbare Gegenstände, die teils stark bewachsen waren, lagen überall verstreut. Vor mir lag eine (für mich) ziemlich bizarre Szenerie, die in mir eine Mischung aus Entsetzen, Ehrfurcht und Begeisterung hervorriefen.
Besonders beeindruckend fand ich auch die Bordkanonen die am Heck des Wracks als große Aufbauten ins blaue Wasser ragten. Man konnte sich förmlich vorstellen, wie noch in letzter Sekunde versucht wurde, mit diesen Kanonen den deutschen Bomber abzuschießen.
Ein weiteres Highlight des Tauchgangs war der Abstecher in die vorderen Lagerräume im Inneren des Wracks. In diesen dunklen und recht engen Kammern sind unterschiedliche Fahrzeuge wie dicht aneinander stehende Motorräder, Lastwagen mit unterschiedlichen Aufbauten aber auch Ausrüstungsgegenstände wie Gummistiefel, Gewehre, Fässer, Reifen und viele Dinge die ich nicht direkt erkennen konnte zu sehen. Ich war gefesselt von dem Anblick, der sich mir bot und konnte es gar nicht ganz glauben, in diesem echten Unterwassermuseum zu tauchen.
Interessant zu sehen war auch, wie die Natur sich ihren Lebensraum an vielen Stellen zurückerobert hatte. Große Teile des Wracks waren bewachsen und verschiedenste Fische schwammen überall im und um das Schiff herum. Man konnte Reliquien aus dem zweiten Weltkrieg und direkt darüber schwebende Schwärme von Fischen sehen. Atemberaubend!
Gegen Ende des Tauchgangs sind wir durch die Kajüte des Kapitäns getaucht und konnten seine damalige Badewanne begutachten. Ebenfalls ein surreales Gefühl durch diese ehemaligen Privatgemächer zu tauchen.
Nach dem Aufstieg an der Leine, um in der Strömung ohne Probleme Sicherheitsstopps einlegen zu können stieg ich tief beeindruckt aus dem Wasser. Auch beim Debriefing an Oberdeck haben mein Buddy und ich, sowie auch die anderen Safariteilnehmer noch viel über das Gesehene gesprochen.
Je länger ich über diesen Tauchgang nachdenke desto mehr Details fallen mir ein, die ich leider nicht alle einzeln hier aufführen kann. Dieser Tauchgang an der Thistlegorm hat mich auch nach dem Ende der Safari noch weiter beschäftigt und ich denke immer wieder sehr gerne daran zurück.